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Wir wollen nun untersuchen, welche Änderungen sich für den Multiplikator ergeben, wenn wir die Interner LinkAnnahme der geschlossenen Wirtschaft fallen lassen. Unter welcher Bedingung gesamtwirtschaftliche Nachfrage und gesamtwirtschaftliches Angebot übereinstimmen, haben wir bereits im Kapitel "Interner LinkDer Wirtschaftskreislauf" abgeleitet:

[1]       S = I + (Ex - Im)

Alternativ können wir auch schreiben

[1a]      Y = C + I + (Ex-Im).

Gleichung [1] besagt, dass der Ersparnis die Summe aus Investitionen und Außenbeitrag ("Nettoexporte") entsprechen muss. Gleichung [2] gibt an, dass die Produktion Y der Nachfrage entsprechen muss, die sich aus Konsum- und Investitionsgüter- und der Exportnachfrage zusammensetzt. Davon ist der Wert der Importgüter abzuziehen, da in C und I auch importierte Güter enthalten sind, die für die inländischen Produzenten offensichtlich keine Nachfrage darstellen. Wir verzichten aus Bequemlichkeit Interner Linkwieder darauf, ständig zu erwähnen, dass es sich bei den Variablen um geplante Größen handelt.

Unsere Interner LinkAnnahme eines fixen Preisniveaus erweitern wir auf das Ausland und den Wechselkurs. Während unserer Analyse sollen sich also auch das Preisniveau im Ausland und der Wechselkurs nicht ändern. Das vereinfacht unsere Überlegungen, da wir nicht berücksichtigen müssen, wie Ex- und Importe auf diese Größen reagieren.

Hinsichtlich der Erklärung von Konsum- und Investitionsnachfrage halten wir an unserer bisherigen Modellspezifikation fest. Der Konsum wird durch die Konsumfunktion erklärt, die Investitionen werden als ausschließlich autonom unterstellt.

[2]       C = Caut + cY

[3]       I = Iaut

Die Nachfrage nach Importgütern spezifizieren wir vollkommen analog zur Nachfrage nach Konsumgütern.

[4]       Im = Imaut + mY      (Verhaltensgleichung)

In dieser Gleichung steht Imaut für die autonomen Importe, die die nicht einkommensabhängige Nachfrage nach im Ausland produzierten Gütern darstellt. Dieser Wert würde sich u.a. dann ändern, wenn sich der Wechselkurs ändert. Wenn die inländische Währung aufwertet, werden Importgüter günstiger und die Nachfrage nach ihnen wird steigen. Eine Aufwertung könnten wir also durch einen höheren Wert von Imaut simulieren. Auch auf die marginale Importneigung m werden sich Wechselkursänderungen und Preisniveauänderungen aller Wahrscheinlichkeit nach auswirken.

Da sich unter den Importgütern auch Investitionsgüter befinden, über deren Nachfragedeterminanten wir uns bisher keine ernsthaften Gedanken gemacht haben, können wir davon ausgehen, dass in Imaut auch die Nachfrage nach Investitionsgütern im Ausland enthalten ist. Der Einfachheit halber können Sie sich aber auch vorstellen, dass ausschließlich Konsumgüter im Ausland nachgefragt werden. Die Modellergebnisse, die wir ableiten werden, ändern sich dadurch nicht.

Die Abhängigkeit der Importnachfrage vom Einkommen ist evident. Die deutschen Nachfrager werden mehr Uhren und Autos aus Japan, Computer aus Taiwan, Jeans aus den USA und Wein aus Frankreich nachfragen sowie häufiger und länger in Spanien Urlaub machen, wenn ihr Realeinkommen steigt. Wie stark die Nachfrage nach diesen Güter auf Änderungen des Einkommens reagiert, fängt die marginale Importquote m ein.

Eine marginale Importquote von 0,25 würde bedeuten, dass bei einem Einkommensanstieg um einen Euro die Nachfrage nach Importen um 25 Cent zunehmen würde. Die Höhe der marginalen Importquote wird wesentlich von der Größe des betrachteten Landes abhängen. Ein großes Land wie die USA wird eine eher kleine, ein kleines Land wie Luxemburg wird eine eher große Importquote haben. Das macht man sich leicht klar, wenn man in Gedanken Deutschland und Frankreich vereinigt.

Mit den Exporten wollen wir es ebenso einfach halten wie mit den Investitionen. Wir gehen von einer autonomen Größe Exaut aus. Das bedeutet in der Logik unseres Modells, dass das Einkommen des Auslands eine modellexogene Größe darstellt, auf die das Inland keinen Einfluss ausübt. Die inländischen Exporte sind aus Sicht des Auslands Importe, die genau so vom Einkommen dort abhängig sein werden wie die Importe des Inlands vom Einkommen des Inlands.

Auf das Einkommen des Auslands werden die Entscheidungen des Inlands sicher keinen Einfluss haben, wenn das Inland im Vergleich zum Ausland (= zu seinen Handelspartnern) klein ist. Daher kann man die Annahme eines autonomen Exports mit der Annahme eines kleinen Landes gleichsetzen. Diese etwas umfassendere Formulierung wird gern genutzt, um anzuzeigen, dass inländische Entscheidungen für den Rest der Welt unbedeutend sind. Rückwirkungen aus dem Ausland dürfen dann vernachlässigt werden.

Wenn wir noch die Gleichung für die Exporte hinzufügen, ist unser Modell komplett:

[1a]      Y = C + I + (Ex-Im).

[2]       C = Caut + cY

[3]       I = Iaut

[4]       Im = Imaut + mY

[5]       Ex = Exaut

Natürlich interessiert zuerst das Gleichgewichtseinkommen in der offenen Wirtschaft. Also werden die Terme auf der rechten Seite in [1a] durch die Ausdrücke in [2] bis [5] substituiert

[6]       Y = Caut + cY + Iaut + (Exaut - Imaut - mY)

Anschließend wird nach Y aufgelöst

[7]       Y - cY + mY = Caut + Iaut + Exaut - Imaut

[8]       [8]

! [9]       [9]

Wenn wir diesem Ausdruck, in dem kEx für den Exportmultiplikator steht, das Gleichgewicht der geschlossen Wirtschaft gegenüberstellen

[10]     [10]          (maussensitive Formel),

können wir drei Aussagen ableiten:

1. Exporte wirken expansiv auf das Gleichgewichtseinkommen.

2. Importe wirken kontraktiv auf das Gleichgewichtseinkommen.

3. Die marginale Importneigung schwächt den Multiplikatoreffekt.

Blümle Patzig

Die beiden ersten Aussagen sind schnell erklärt. Autonome Exportsteigerungen lösen einen expansiven Multiplikatorprozess aus, weil die Nachfrage im Inland ansteigt. Autonome Importsteigerungen lösen einen kontraktiven Multiplikatorprozess aus, weil die Nachfrage nach inländischer Produktion sinkt. Die Effekte unterscheiden sich prinzipiell nicht von denen in einer geschlossenen Wirtschaft.

Interessanter ist die Stärke des Multiplikators. Wir betrachten der Einfachheit halber ein Zahlenbeispiel mit folgenden Parameterwerten:

Marginale Konsumquote

c

=

0,75

Autonomer Konsum

Caut

=

100

Autonome Investitionen

Iaut

=

100

Autonome Importe

Imaut

=

-50

Marginale Importneigung

m

=

0,25

Autonome Exporte

Exaut

=

150

Rechnen Sie das Zahlenbeispiel
nach! Können die autonomen
Importe -wie hier angenommen -
negativ sein? Können Sie erkennen,
wie elastisch die Importe auf das
Einkommen reagieren? Wie hoch ist
der Außenbeitrag?

Hinweis

Hinsichtlich Imaut gelten die Ausführungen zu Caut analog. Ein empirisches Beispiel für einen negativen Wert von Imaut findet sich in Blümle/Patzig (Literatur-Tipp). Eine Gerade mit negativem Ordinatenabschnitt ist in jedem Punkt elastisch. Die Leistungsbilanz ist ausgeglichen.

Abbildung 1 setzt das Zahlenbeispiel maßstabsgetreu um. Es ist mit der Importfunktion

[11]       Im = -50 + 0,25 Y

und der Exportfunktion

[12]       Ex = 150

so konstruiert, dass sich ein gleich hohes Einkommen wie im bisher eingesetzten Zahlenbeispiel für die geschlossene Wirtschaft ergibt. Wenn Sie sich die Mühe machen, den Außenbeitrag zu berechnen, werden Sie erkennen, wie das gelingen konnte.

Abbildung 1

Abb. 1

Gleichgewichtseinkommen in der offenen Wirtschaft: Die Auswirkungen von Parameteränderungen werden angezeigt, wenn Sie die Maus über das Diagramm stellen. Ceteris paribus steigt das Gleichgewichtseinkommen, wenn der autonome Export steigt und die marginale Importneigung und die autonomen Importe fallen.

Der Exportmultiplikator, der auch Außenhandelsmultiplikator genannt wird, beträgt

[13]     [11]   (maussensitive Formel)

Kann dieses Modell helfen, die Folgen
eines Ölpreisschocks zu erklären?

Die maussensitive Formel zeigt zum Vergleich, dass die Berechnung des einfachen Multiplikators k für die geschlossene Wirtschaft einen Wert von 4 liefert, und es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Multiplikator für die offene Wirtschaft mit zunehmender Importneigung fällt. Der Grund ist, dass ein Teil des zusätzlichen Einkommens im Ausland nachfragewirksam wird.

Wenn die Regierung versucht, über Investitionen im Straßenbau die Konjunktur anzukurbeln, und so einen Primäreffekt im Inland auszulösen (sofern nicht schon in der ersten Stufe ausländische Unternehmen zum Zuge kommen), werden die Straßenbaufirmen einen Teil des benötigten Materials importieren und die zusätzlichen Einkommen der Beschäftigten natürlich auch zum Kauf von Importgütern verwandt. Die sekundären Nachfrageeffekte im Inland sind daher schwächer als in der geschlossenen Wirtschaft.

Für den Vorschlag gab es schon mehr als genug Schelte, zumal die Ministerin - wie die TAZ süffisant berichtete - gerade auf Urlaub im Ausland weilte, d.h. Dienstleistungen importierte.

Allein vor dem Hintergrund der Überlegungen in diesem Abschnitt betrachtet, ist die Überlegung der Ministerin aber korrekt. Wenn die marginale Importneigung sinkt, steigt der Multiplikator und sorgt für eine höhere inländische Produktion, vorausgesetzt die Wirtschaft leidet unter einer Nachfrageschwäche. Aber es gibt natürlich ernsthafte Einwände gegen diesen Vorschlag, der wohl der Hektik des Wahlkampfes entsprungen ist. Denken Sie bitte an das Theorem vom komparativen Vorteil (Ricardo).

Eine Wirtschaft, die stark in den Außenhandel eingebunden ist, kann daher weniger auf eine Wirksamkeit expansiver Fiskalpolitik ("Ausgabenpolitik") setzen. Umgekehrt besteht aber natürlich die Hoffnung, von steigenden Einkommen im Ausland zu profitieren. Boomt bei unseren Handelspartnern die Konjunktur, dann kaufen sie mehr in Deutschland hergestellte Maschinen und Kraftfahrzeuge. Der ansteigende Export löst einen Multiplikatoreffekt in Höhe von kEX aus. Auf diese Weise übertragen sich Einkommensschwankungen international. Es wäre also dumm, Nachbarländer wegen ihrer besseren Einkommensentwicklung zu beneiden. Man sollte sich darüber freuen.

Das kann dummerweise in ein Externer LinkGefangenen-Dilemma führen. Wenn wir die "Kleines-Land-Annahme" für einen Moment aufgeben und uns zwei etwa gleich große Länder mit intensiven Handelsbeziehungen vorstellen, ist der Grund leicht einzusehen. Für beide Länder ist es die attraktivere Option, auf eine expansive Politik des anderen Landes zu setzen, anstatt sich selbst zu verschulden und mit anzusehen, wie das andere als Trittbrettfahrer ausschließlich Vorteile verbucht. Offensichtlich ist eine konzertierte Aktion angeraten.

Leider ermöglicht die internationale Konjunkturübertragung der Politik die bequeme Ausrede, man sei "halt von der Weltkonjunktur" abhängig. So lassen sich hausgemachte Probleme gut hinter der Aussage verstecken, an der "Wachstumsschwäche" sei vor allem die schleppende Auslandsnachfrage schuld. Selbst in Zeiten, in denen die Exporte die Nachfrage ganz wesentlich stützen, wird dieses Argument gern genutzt - achten Sie einmal darauf!

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