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Der Begriff Staatsausgabenmultiplikator wird im engeren Sinn für die multiplikativen Wirkungen der Staatsausgaben in Modellen verwandt, die Staatsausgaben und - einnahmen explizit berücksichtigen. Die Begrifflichkeit ist allerdings nicht ganz einheitlich. Mitunter wird auch der einfache Interner LinkEinkommensmultiplikator als Staatsausgabenmultiplikator bezeichnet. Wenn man den Begriff weiter fasst, versteht man unter dem Staatsausgabenmultiplikator auch die Wirkungen anderer autonomer Ausgaben (private Investitionen, Konsum) in Gegenwart von Steuern und Staatsausgaben auf das Gleichgewichtseinkommen sowie die Wirkungen einer Veränderung der Steuern selbst. Im letzten Fall spricht man auch vom Steuermultiplikator.

Die Vorgehensweise bei der Analyse des Staatsausgabenmultiplikators entspricht denen beim einfachen Einkommens- und beim Interner LinkExportmultiplikator. Als Referenzmodell verwenden wir den einfachen Interner LinkEinkommensmultiplikator, d.h. wir betrachten eine geschlossene Volkswirtschaft mit Staat.

Vom Staat nehmen wir an, dass er die Bürgerinnen und Bürger auf zwei Arten besteuert. Zum einen erhebt er eine einkommensproportionale Steuer. Der Steuersatz beträgt t. Bei einem Einkommen in Höhe von 1000 und einem Steuersatz von 20 Prozent verbliebe den Bürgern ein verfügbares Einkommen in Höhe von Yv = 800.

Zum anderen besteuert der Staat die Bürger pauschal. Die Höhe der pauschalen Steuer beträgt Taut. Mit dieser Variablen werden die Einnahmen des Staates erfasst, die nicht vom Einkommen abhängig sind. Es muss sich dabei nicht um Steuern i.e.S. handeln, sondern man kann darunter auch Gebühren und Beiträge fassen.

Die beiden Steuerarten vermindern das Einkommen Y um die Steuereinnahmen des Staates (= tY+Taut). Den privaten Wirtschaftssubjekten verbleibt nach Abzug der Steuern das verfügbare Einkommen Yv:

[1]       [1]

Dementsprechend muss an der Interner LinkKonsumfunktion eine kleine Modifikation vorgenommen werden.

[2]       [2]

Die Investitionen seien weiterhin als autonom unterstellt:

[3]       [3]

Schließlich ändert sich die Gleichgewichtsbedingung zu

[4]       [4]

Wir verwenden hier die Interner Linkamerikanische Schreibweise und bezeichnen die Staatsausgaben als G. Damit legen wir uns nicht von vornherein auf Konsum- CSt oder Investitionsausgaben ISt des Staates fest und sparen ein bisschen Schreibarbeit. Alternativ zu [4] hätten wir auch

[4a]      [4a]

schreiben können.

Eine letzte Gleichung benötigen wir erst später,

[5]       [5]          (Budgetausgleich, Definitionsgleichung),

wenn wir untersuchen, wie der Staatsausgabenmultiplikator sich verändert, wenn wir vom Staat einen ausgeglichen Haushalt (in der laufenden Periode) fordern. Zunächst verlangen wir dies aber -  realistischerweise könnte man sagen - nicht. Unser Modell besteht also aus den Gleichungen [1] bis[4].

Wir wollen überlegen, was passieren würde, wenn der Staat seine Einnahmen in Form von Transfers Tr (z.B. Kindergeld) unmittelbar wieder an die Bürgerinnen und Bürger auszahlt und sonst in keiner Weise in Aktion tritt. Für die Staatsausgaben soll also gelten G = Tr. Die Transferzahlungen wären in Gleichung [1] für das verfügbare Einkommen zu berücksichtigen, so dass

[6]       [6].

Würde der Staat also Steuern erheben und diese als Transfers unmittelbar wieder an die Haushalte zurückleiten, so hätte dies keine Effekte gegenüber unserem Referenzmodell, da die Bevölkerung wieder über das ursprüngliche Einkommen Y verfügen würde. Der Multiplikator wäre also weiterhin durch den Interner LinkKehrwert der marginalen Sparneigung gegeben.

Das gilt allerdings nur unter der recht restriktiven Voraussetzung, dass die Nettoempfänger der Transferzahlungen eine gleich hohe marginale Konsumneigung haben wie die Netto-Zahler. In der Regel wird aber Folgendes gelten: Der Staat besteuert vor allem die Hocheinkommenshaushalte ("double income, no kids") und leitet die Transfers an die Niedrigeinkommenshaushalte (z.B. in Form von Kindergeld) weiter. Da die Hocheinkommenshaushalte im Schnitt eine geringere Konsumneigung haben werden als die Transfereinkommensbezieher, nimmt die gesamtwirtschaftliche Konsumneigung durch die Umverteilung zu.

Mehr zur Externer LinkTheorie des
Arbeitsangebots
in
<mikro>online.

Insofern kann man von der Umverteilung kurzfristig einen expansiven Impuls erwarten, da die Nachfrage belebt wird. Auf mittlere bis lange Sicht wären aber auch die allokativen Wirkungen zu berücksichtigen. Sowohl für die Nettotransferempfänger als auch für die Nettozahler wird das Arbeitsangebot unattraktiver - in einer politischen Diskussion würde man formulieren, dass die Umverteilung die Leistungsbereitschaft der Bevölkerung gefährdet. Die Transferempfänger riskieren ihre Transfers, wenn sie höhere Einkommen erzielen, was unter Umständen zu freiwilliger Arbeitslosigkeit führt ("soziale Hängematte", "Leistungsmissbrauch"). Diejenigen, die die Transfers aufbringen, leiden unter den hohen (Grenz)Steuersätzen. Freizeit wird relativ zur Arbeit für sie attraktiver.

Um diese Effekte auszuschalten sei im Folgenden angenommen, dass der Staat keine Transfers zahlt, sondern selbst Nachfrage nach öffentlichen Gütern entwickelt.

Durch Einsetzen von [1], [2] und [3] in die Gleichgewichtsbedingung [4] lässt sich durch einfaches Umstellen der Terme das Gleichgewichtseinkommen

[7]       [7]

berechnen; wegen des Terms ct mit folgendem Ergebnis:

Der Staatsausgabenmultiplikator bleibt hinter dem einfachen Einkommensmultiplikator zurück

[8]       [8]

und fällt mit der Höhe des Steuersatzes.

Gleichung [7] ist maussensitiv, so dass Sie den Staatsausgabenmultiplikator direkt mit dem Multiplikator des Referenzmodells vergleichen können.

Der geringere Wert des Staatsausgabenmultiplikators ist inhaltlich auf die Verminderung des verfügbaren Einkommens durch die proportionale Steuer zurückzuführen. Von im Einkommenskreislauf generierten 100 Euro zusätzlichem Einkommen würden die Bürgerinnen und Bürger bei einer marginalen Konsumquote von 0,75, wenn sie nicht besteuert würden, 75 Euro für Konsum ausgeben. Bei einem Steuersatz von 20 Prozent, stünden ihnen netto anstatt 100 aber nur 80 Euro zusätzliches Einkommen zur Verfügung, so dass der zusätzlich induzierte Konsum auf 60 Euro fallen würde (Interner Link= (1 - 0.2)*100*0.75). In diesem Zahlenbeispiel fiele der Multiplikator von 4 im Referenzmodell auf Interner Link2,5 im Modell mit Staat:

[9]      

Staatseinnahmen und -ausgaben

Zwar sind auch andere konjunkturpolitische Szenarien denkbar, doch der Staat wird in der Regel um einen gewissen Budgetausgleich bemüht sein. Wenn er seine Ausgaben erhöht oder senkt, wird er versuchen, die Einnahmen entsprechend zu erhöhen oder zu senken. Wir wollen betrachten, was passiert, wenn der Staat eine Ausgabensteigerung um einen Euro durch eine Anhebung der autonomen Steuern um einen Euro finanziert.

Für die Ausgabensteigerung haben wir nach [7] einen expansiven multiplikativen Effekt in Höhe von

[10]     [10]

Zugleich kommt es durch die Anhebung der autonomen Steuer aber zu einem kontraktiven Effekt:

[11]     [11]

Da die marginale Konsumquote kleiner als eins ist, ist der expansive Effekt in [10] größer als der kontraktive Effekt in [11]. Grund ist, dass die "Injektionen" in den Kreislauf die "Sickerverluste" übersteigen. Wenn der Staat den Bürgern pauschal einen Euro nimmt, geht die Nachfrage um den Betrag der marginalen Konsumquote zurück. Der Staat selbst - das haben wir gerade unterstellt - gibt den Euro aber voll wieder aus. Insgesamt nimmt die Nachfrage also zu.

Zugleich macht diese Überlegung deutlich, dass Einnahmen, die überwiegend zur Konsolidierung des Haushalts verwandt werden, kontraktiv wirken. Würde der Staat von dem autonomen Steuer-Euro einen geringeren Anteil ausgeben als die marginale Konsumquote, so würde er die gesamtwirtschaftliche Nachfrage offensichtlich bremsen. Die stärkste Bremswirkung träte natürlich ein, wenn er die Steuer ausschließlich zum Schuldenabbau einsetzen würde.

Die eben gemachten Ausführungen können Sie mit Hilfe der interaktiven Tabelle 1 nachrechnen. Wir unterstellen einen proportionalen Einkommensteuersatz t von 20 Prozent und erheben momentan keine autonomen Steuern. Die Staatsausgaben betragen 120. Mit Hilfe des Formelwerks auf dieser Seite können Sie nachrechnen, dass das Gleichgewichtseinkommen 800 beträgt. 20 Prozent davon, also 160, schöpft der Staat als Steuer ab. Da seine Ausgaben nur 120 betragen, spart der Staat 40. Zusammen mit dem Sparen der Haushalte in Höhe von 60 finden wir die Gleichgewichtsbedingung I=S erfüllt.

Tabelle 1

Interaktive Tabelle: Simulationsrechnung zum Staatsausgabenmultiplikator

 

Parameter
(exogene Variablen)

     

Ergebnisse
(endogene Variablen)

c =

 

 

Y* =

Caut =

 

 

 

 

Iaut =

 

 

Yv =

t =

 

 

S =

Taut =

 

 

C =

G =

 

 

 

 

 

 

 

 

tY+T-G =

 

 

 

kSt =

 

 

 

 

 

---

        Änderung des 
Einkommens 
zur Vorperiode 

 

 

 

Anzahl der 
Nachkomma- 
stellen 

Kurzanleitung: Tragen Sie Werte für die exogenen Variablen ein und starten Sie die Ermittlung der Gleichgewichtswerte durch "Aktualisieren". Die Eingaben werden nicht auf Plausibilität geprüft. Mit unsinnigen Parametern können Sie unplausible Ergebnisse wie z.B. einen negativen Konsum erhalten.
Beispiel: Um das Haavelmo-Theorem zu simulieren, setzen Sie die Tabelle zurück und tragen anschließend für die autonomen Steuern und die Staatsausgaben den gleichen Betrag und für den Steuersatz Null ein.
Hinweis: Beachten Sie, dass S das Sparen der Haushalte zeigt. Das gesamtwirtschaftliche Sparen ergibt sich aus dem Sparen der Haushalte und dem Budgetdefizit oder -überschuss des Staates.

Wenn Sie nun im Feld G die Staatsausgaben um "1 Euro" erhöhen und die Tabelle anschließend "aktualisieren", werden Sie einen multiplikativen Effekt in Höhe von

[10a]    [10a]

feststellen. Anschließend erhöhen Sie die autonomen Steuern um "1 Euro". Der kontraktive Effekt beträgt

[11a]    [11a].

Wie erwartet kommt es also insgesamt zu einer Einkommenserhöhung, die sich wie folgt erklären lässt: Durch die Erhöhung der autonomen Steuer um einen Euro geht die Nachfrage der Haushalte nach Konsumgütern nach Maßgabe der marginalen Konsumquote um 0,75 zurück. Da der Staat die Steuereinnahme aber voll wieder verausgabt, steigt die Nachfrage um einen Euro an, so dass es netto zu einem Anstieg der Nachfrage um 0,25 Euro kommt. Auf diesen Nachfrageanstieg wirkt der Multiplikatoreffekt und der Gesamteffekt in Höhe von 0,625 (= 2,5 * 0,25) entspricht der Differenz der Ergebnisse in [10a] und [11a].

Selbstverständlich können Sie auch andere Szenarien mit der Tabelle durchspielen. So simulieren Sie den einfachen Einkommensmultiplikator, indem Sie die Steuervariablen und die Staatsausgaben auf null setzen. Oder Sie setzen die autonomen Steuern auf einen negativen Wert, um einkommensunabhängige Transferzahlungen an die Haushalte zu simulieren.

Das Haavelmo-Theorem

Für eine sehr spezifische Konstellation führt der eben behandelte Fall zu einem auf den ersten Blick verwunderlichen Ergebnis, das unter dem Namen Externer LinkHaavelmo-Theorem in die Literatur eingegangen ist:

Bei ausgeglichenem Staatshaushalt und ausschließlich autonomen Steuern steigt das Einkommen um die Erhöhung der Staatsausgaben.

Zum Nachweis berechnen wir das Gleichgewichtseinkommen für ein ausgeglichenes Staatsbudget aus [1] bis [5]:

[12]     [12]

Die Staatsausgaben G tauchen in diesem Ausdruck nicht mehr auf, da sie für jedes Einkommen durch Taut und t bestimmt sind. Der multiplikative Effekt einer Erhöhung der Staatseinnahmen (und - ausgaben) beträgt damit bei ausgeglichenem Budget

[13]     [13]

Dieser Multiplikator ist für Steuersätze unter 100 Prozent , wie man leicht überprüfen kann, positiv - also faktisch immer.

Der theoretisch interessante, aber praktisch unbedeutende Fall des Haavelmo-Theorems tritt ein, wenn man den Steuersatz auf null setzt:

[14]     [14]

Die Multiplikatorwirkung der Anhebung der Pauschalsteuer ist 1 und damit gleich dem Steuerbetrag selbst. Erklären kann man den Effekt wie folgt: Der Staat nimmt den Bürgern einen Euro weg. Dadurch fällt Konsumnachfrage in Höhe von c aus. Der Staat gibt den Euro aber vollständig aus. Dadurch steigt die Nachfrage um 1. Saldiert man beide Effekte, verbleibt netto eine Zunahme der Nachfrage um (1-c) bzw. um die marginale Sparquote s. Der Multiplikator ist ohne proportionale Steuer aber gleich dem Interner LinkKehrwert der marginalen Sparquote - und s multipliziert mit 1/s ergibt 1. Das funktioniert jedoch nur unter den bereits genannten restriktiven Bedingungen. Ein Steuersystem, in dem die Steuern vollkommen einkommensunabhängig erhoben werden, ist aber kaum vorstellbar. Zudem dürfte die Steuererhebung weder die marginale Konsumquote beeinflussen, d.h. keine Umverteilungseffekte auslösen (Interner Links.o.), und die Ausgaben des Staates für öffentliche Güter dürften das Konsumverhalten der privaten Wirtschaftssubjekte ebenfalls nicht tangieren. Das tun sie aber, da z.B. die Nachfrage nach Swimmingpools sinkt, wenn die Gemeinden Schwimmbäder eröffnen.

Um das Haavelmo-Theorem "experimentell" zu erkunden, setzen Sie in der Tabelle den Steuersatz, die autonomen Steuern und die Staatsausgaben auf Null. Klicken Sie anschließend zwei mal auf "Aktualisieren", um den Änderungsbetrag der Einkommen auf null zu setzen. Erhöhen Sie jetzt die autonomen Steuern und die Staatsausgaben um denselben Betrag. Beobachten Sie, um welchen Betrag das Gleichgewichtseinkommen steigt.

Der Steuermultiplikator

Abschließend wollen wir untersuchen, wie eine Erhöhung des Steuersatzes auf das Gleichgewichtseinkommen wirkt. Dazu differenzieren wir unter Anwendung der Quotientenregel [(u/v)'= (u'v-v'u)/v2] das in Gleichung [7] bestimmte Gleichgewichtseinkommen Y* nach t und finden:

Rittenbruch

[15]     [15]

Die blaue Hervorhebung soll verdeutlichen, dass der Ausdruck für das Gleichgewichtseinkommen [7] in der Ableitung enthalten ist, weswegen sich der Term auf die kurze Form nach dem zweiten Gleichheitszeichen bringen lässt. Der Steuermultiplikator ist negativ. Er hängt sowohl von der Steuerhöhe als auch vom Einkommen ab (die etwas interessantere Elastizität des Einkommens bezüglich der Steuer allerdings ist nicht niveauabhängig).

Da eine Anhebung des Steuersatzes das Gleichgewichtseinkommen fallen lässt, kann man die für eine gewünschte Zunahme der Staatseinnahmen notwendige Steuersatzerhöhung nicht durch einen einfachen Dreisatz berechnen. Es ist zu bedenken, dass die Bemessungsgrundlage sinken wird, m.a.W.: die Steuereinnahmen reagieren auf den Steuersatz nicht mit einer Elastizität von 1 (s.a. das mikroökonomische Pendant). Wenn man über das Modell hinausreichende, z.B. psychologische Erklärungen bemüht, mag der Effekt so groß sein, dass eine Steuersatzanhebung die Steuereinnahmen sinken lässt. Im hier betrachteten Modell ist diese Interpretation, die Ihnen evtl. schon unter dem Begriff Laffer-Kurve begegnet sein mag, allerdings nicht darstellbar. Steuersatzsenkungen führen immer zu verminderten Steuereinnahmen.

Auch dieses Ergebnis lässt sich mit der interaktiven Tabelle "verifizieren". Wählen Sie durch Zurücksetzen die Ausgangssituation. Setzen Sie die Nachkommastellen auf 4 und aktualisieren die Tabelle. Erhöhen Sie nun den Steuersatz von 20 auf 21 Prozent (t = 0,21). Das Ergebnis muss - wegen der Nichtlinearität des Problems allerdings nur etwa -

[15a]     [15a]

entsprechen.

 

 

 

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