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Wenn ein Arzt eine Diagnose stellt und seinem Patienten sagt, kurzfristig sei da nicht viel zu machen, aber mittel- bis langfristig gäbe es durchaus Heilungschancen, dann nehmen wir das ganz selbstverständlich hin. Mit derselben Selbstverständlichkeit sollten wir akzeptieren, dass es einen bedeutenden Unterschied macht, ob man ökonomische Prozesse über eine kurze oder lange Frist betrachtet. Um im Bild zu bleiben: Auch die Wirtschaft ist krank, denn Millionen Arbeitslose sind ein eindeutiges Symptom.

Die Diagnose ist sicher schwierig. Aber wie sie auch ausfallen mag, es besteht kein Zweifel, dass sich das Problem kurzfristig nicht lösen lässt.* Anders sieht es auf lange Sicht aus. In einem hinreichend langen Zeitraum kann Vollbeschäftigung zurückkehren. Nicht wenige Ökonomen und vor allem die Anhänger der klassischen Theorie gehen davon aus. Die Selbstheilungskräfte des Marktes werden dafür sorgen, wenn man sie denn nicht behindert.

Die Frage ist, wie lange es dauert, und ob wir darauf warten wollen.


Blanchard Illing

Blanchard und Illing nennen Zeiträume: kurze Frist - von Jahr zu Jahr, mittlere Frist - 10 Jahre, lange Frist - über 50 Jahre (2004, 41). mehr ...

Wir werden zwischen Fristen unterscheiden, indem wir die lange Frist wie folgt definieren: Auf lange Sicht erreicht die Volkswirtschaft Gleichgewichte auf allen Märkten, da die Preise genügend Zeit zur Anpassung haben und so für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgen. Das bedeutet, dass die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Humankapital voll beschäftigt und effizient eingesetzt werden. Die kurze Frist fassen wir als einen Zeitraum auf, in dem die Preise konstant sind. Eine plastische Vorstellung liefern Kataloge und Preislisten, die bis zur nächsten Drucklegung für fixe Preise sorgen.

Die Trennung zwischen kurzer, mittlerer und langer Frist ist unscharf. Zeitintervalle lassen sich nur näherungsweise angeben. Besonders die Definition der "langen Frist" dient eher als vereinfachende Modellannahme, die es gestattet, die Wirtschaft unter Markträumungsbedingungen - also bei flexiblen Preisen - zu betrachten, als dass man sich einen konkreten Zeitraum darunter vorstellen sollte.

Das Wirtschaftswachstum wird als langfristiges Phänomen analysiert. Gefragt wird also danach, wie sich die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft bei Vollbeschäftigung aller Ressourcen entwickeln. In Zeiten hoher und lang anhaltender Arbeitslosigkeit mag sich das vielleicht etwas komisch anhören. Viele der heute Studierenden haben Vollbeschäftigung ja überhaupt nicht erlebt. Allerdings ist es noch gar nicht so sehr lange her, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in einer wahren Wachstumseuphorie befand. Langfristprognosen, die Anfang der siebziger Jahre aufgestellt wurden, hatten für die achtziger und neunziger Jahre regelmäßig Arbeitskräfteknappheit behauptet, und die große Sorge war, wo man bloß die vielen benötigten Arbeitskräfte her bekommen sollte. Aus heutiger Sicht mag das verwunderlich erscheinen, aber man muss bedenken, dass der Arbeitsmarkt in den sechziger Jahren buchstäblich leergefegt war. Zwar gab es in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre einen kurzfristigen Anstieg der Arbeitslosigkeit, den man jedoch schnell wieder "im Griff hatte". 1970 betrug die Auslastung des Erwerbspersonenpotenzials unglaubliche 99,4 Prozent. Das war die Zeit, in der man die Arbeitsmarktpolitik noch "perspektivisch sozialstrategisch" gestalten wollte.

Demgegenüber handelt es sich bei konjunkturellen Schwankungen, dem zyklischen Auf und Ab in der Auslastung der Kapazitäten, um ein kurz- bis mittelfristiges Phänomen. Die betrachtete Zeitspanne ist zu kurz, um eine Anpassung aller Variablen gewährleisten zu können. Beispielsweise kann auf dem Arbeitsmarkt bei einem Überschussangebot eine notwendige Korrektur der Löhne unterbleiben, wenn diese durch Tarifverträge auf mittlere Sicht festgeschrieben sind.

Praktisch ist es ein schwieriges Unterfangen, zwischen struktureller Arbeitslosigkeit, die durch eine Wachstumsschwäche verursacht ist oder damit einhergeht, und konjunktureller Arbeitslosigkeit zu differenzieren. Auch wenn es mehr und mehr in Mode kommt, zwischen kurzer und langer Frist zu differenzieren, ist es dennoch strittig, ob man kurz- und langfristig wirkende Effekte tatsächlich getrennt analysieren kann.

 

 

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