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Mitunter ist die Abgrenzung der Makro- von der Mikroökonomie nicht einfach. Vor allem in jüngerer Zeit verfließen die Grenzen zwischen den beiden Disziplinen zusehends. Für das Phänomen der Arbeitslosigkeit zum Beispiel finden sich sowohl mikro- als auch makroökonomische Erklärungen. Manche Themen lassen sich aber auch klar einer der beiden Teildisziplinen zuordnen. Die entscheidende Frage, die man hinsichtlich der Zuordnung eines Themas zu beantworten hat, lautet: Stehen einzel- oder gesamtwirtschaftliche Fragestellungen im Zentrum der Betrachtung? Je enger die Thematik eingegrenzt ist, desto leichter lässt sich diese Frage natürlich beantworten.

Das Rationalitätspostulat tritt gegenüber der Mikroökonomik deutlich zurück.

Im Bereich der Mikroökonomie lässt sich die Profession ganz wesentlich von dem Gedanken leiten, dass Menschen rational handeln. Von gelegentlichen Ausflügen in Randgebiete abgesehen hält zumindest die Lehrbuchliteratur, im Großen und Ganzen aber auch die aktuelle Forschung, am Leitbild des homo oeconomicus fest. In der Makroökonomik spielt das ökonomische Prinzip eine eher untergeordnete Rolle. Zwar geht auch sie implizit von wirtschaftlich handelnden Personen aus, jedoch sind die Verhaltensweisen, die betrachtet werden, nicht die von Individuen, sondern die des Staates, der Haushalte, der Unternehmen und des Auslands. Gruppen von Personen kann man aber kein (streng) rationales Verhalten unterstellen. Am Verhalten des Staates – verstanden als die Umsetzung des politischen Willens der Regierung – wird das ganz besonders deutlich: Die unterschiedlichen Interessen zwischen und in den Parteien, zwischen Bund, Ländern und Kommunen, einflussreicher Verbände, der Arbeitsmarktparteien und der Verwaltung führen mitunter eher zu der Ansicht, dass "der Staat" ganz und gar nicht vernunftbetont handelt.

Allgemeines Beispiel: Denken Sie an einen Insidertipp bei Pferdewetten.

Ökonomisches Beispiel: a) Ein einzelner Arbeiter setzt eine Lohnerhöhung durch. Es geht ihm real besser. b) Alle Arbeitskräfte einer Unternehmung setzen eine Lohnerhöhung durch. Die Unternehmung ist dem Kostendruck nicht gewachsen. Die Arbeitskräfte verlieren ihre Jobs.

Das 'Paradox' ist bekannt als "fallacy of composition" oder "Trugschluss der Verallgemeinerung".

Eine zentrale Bedeutung in der Makroökonomik kommt der Frage zu, wie die Haushalte ihre Konsumausgaben in der Summe verändern, wenn das gesamtwirtschaftliche Einkommen steigt. Wie die einzelnen Haushalte mit ihren Konsumausgaben auf eine Einkommenssteigerung reagieren, spielt bei der Beantwortung dieser Frage eine eher untergeordnete Rolle. Natürlich wird die mikroökonomische Fundierung der makroökonomischen Erkenntnisse angestrebt. Wenn alle Individuen bei höheren Einkommen ihren Konsum erhöhen, dann wird man natürlich auch erwarten dürfen, dass das für Haushalte insgesamt auch gilt. Aber nicht immer ist, was einzelwirtschaftlich wahr ist, auch zugleich gesamtwirtschaftlich wahr. Wenn Sie sich am Silvesterabend vornehmen, im Laufe des nächsten Jahres sparsamer zu sein als in diesem Jahr, dann werden Sie im nächsten Jahr einen höheren Anteil Ihres Einkommens sparen – mal unterstellt, Sie halten an Ihrem Vorsatz fest. Was aber wird passieren, wenn sich sehr viele oder im Extremfall alle Bürger entschließen, mehr zu sparen? Können wir dann mit der gleichen Gewissheit prognostizieren, dass der Anteil am Volkseinkommen, der gespart wird, zunimmt?

Da die klassische Theorie wesentlich stärker auf mikroökonomischen Erkenntnissen aufbaut als die keynesianische Theorie, kommt dem Rationalverhalten in der klassischen Theorie ein deutlich höherer Stellenwert zu. Man darf wohl sagen, dass die klassische Theorie ein auf gesamtwirtschaftliche Größen weitergedachtes mikroökonomisches Modell ist.

Die Makroökonomik arbeitet auch mit ad-hoc-Annahmen.

Die Makroökonomik stützt sich gelegentlich auf "lockere Denkzusammenhänge", nutzt empirische Regelmäßigkeiten ("Daumenregeln") und arbeitet mit "ad-hoc-Annahmen". Das ist durchaus legitim, da die Anwendbarkeit der Theorie im Vordergrund steht. Die mikroökonomische Theorie des allgemeinen Gleichgewichts ist für anwendungsorientierte Überlegungen zu komplex.

Wenn Geschehnisse nicht so recht ins Bild der Theorie passen, werden gerne Sprüche der Art bemüht, fünfzig Prozent der Wirtschaft bestünden ohnehin aus Psychologie. Zwar können Stimmungen und Erwartungen eine wichtige Rolle spielen, doch wird dieses (Karl-)Schiller-Zitat in der Regel eher dann herangezogen, wenn die theoretischen Argumente zur Neige gehen.

Die Makroökonomie kennt nur ein abgeschwächtes Gleichgewichtsdenken.

Die mikroökonomische Theorie geht in der Regel von flexiblen Preisen aus. Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bilden sich Preise, die die Märkte räumen.

Dieser Markträumungsgedanke geht in der Makroökonomie nicht verloren. Auch das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage lösen Preisniveauanpassungen in Richtung auf ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht aus. Diese Prozesse können aber gestört sein und die Makroökonomik interessiert sich in besonderem Maße für die Ursachen dieser Störungen. Sie untersucht, wie man den negativen Folgen solcher Störungen beikommen kann.

Die Verwendung der Begriffe Angebot, Nachfrage und Preis oder Preisniveau sowohl in der Mikro- als auch in der Makroökonomik mag den Eindruck entstehen lassen, es gäbe keine wesentlichen Unterschiede in der einzel- und gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Dieser Eindruck wird unter Umständen noch durch die Ähnlichkeit der mikro- und makroökonomischen Angebots-Nachfragediagramme verstärkt. Aber er ist falsch.

Abbildung 1
Unterschied Mikro Makro

Die Ähnlichkeit einzel- und gesamtwirtschaftlicher Angebots-Nachfrage-Diagramme.
Obwohl der mikro- dem makroökonomischen Gütermarkt in der diagrammatischen Darstellung bis auf die Achsenbeschriftungen sehr ähnelt, stehen hinter den Verläufen der Kurven vollkommen unterschiedliche Erklärungen. [Maussensitive Grafik]

Ein recht häufiger Fehler ist die Gleichsetzung von Makroökonomik mit Total- und Mikroökonomik mit Partialanalyse. Die Begriffe Total- und Partialanalyse unterscheiden Modelle dahingehend, ob sie einen einzelnen Markt isoliert oder die Gesamtheit aller Märkte mit ihren gegenseitigen Rückkopplungen betrachten. Sowohl die Makro- als auch die Mikroökonomik kennen die Total- und auch die Partialanalyse, da sich in beiden Theoriezweigen Märkte isoliert, aber auch simultan analysieren lassen.

Makroökonomik ist spannender als Mikroökonomik.

Ja und nein. Sagen wir mal so: Zwischen den Lehrinhalten makroökonomischer Veranstaltungen und der Realität kann man unmittelbar Zusammenhänge herstellen. Zahlreiche zentrale Begriffe wie Inflation und Wachstum kennt man aus den Tagesnachrichten und Arbeitslosigkeit ist ein Problem, das einen unter Umständen direkt oder indirekt persönlich betrifft. Demgegenüber sind die (Standard-)Inhalte der mikroökonomischen Lehrveranstaltungen vergleichsweise abstrakt.

Eine aufgeschlossenere Haltung gegenüber der Makroökonomik resultiert wohl auch daraus, dass die meisten Studienordnungen die Mikroökonomik im Curriculum vor der Makroökonomik platzieren. Man hat den VWL-Schock schon hinter sich.

Außerdem kommt auch endlich mal Geld vor, das die Mikroökonomik total ausgeblendet hatte. Und Begriffe wie "Geldillusion", "self-fulfilling prophecy", "time lags" und "eingebaute Stabilisatoren" klingen zunächst sicher spannender als Budgetgerade, Substitutionseffekt und Expansionspfad.

Schließlich ist die Trennlinie zwischen "richtig" und "falsch" nicht so scharf wie in der Mikroökonomik. Wenn makroökonomische Fragen nicht sehr präzise formuliert werden, sind mitunter ganz verschiedene Antworten zulässig. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Lehrmeinungen, zum anderen an der hohen Interdependenz der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge, die den Umgang mit der ceteris paribus-Klausel schwierig macht. Dazu kommt, dass die Ausgangssituation maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob z.B. eine wirtschaftspolitische Maßnahme angezeigt ist oder nicht. Wenn man sich schon in der Situationsbeschreibung oft nicht einig ist, nimmt es kein Wunder, dass Expertenrunden zu gesamtwirtschaftlichen Fragestellungen oft mehr Verwirrung als Klarheit schaffen. Wann auch immer Sie diesen Text lesen, das Fernsehprogramm der kommenden Woche wird Ihnen sicherlich wenigstens einen Beweis liefern.

Damit die Studierenden diese Verwirrung in Prüfungen nicht zu eigenen Gunsten nutzen können, indem sie Fragen mit der fast immer richtigen Floskel "it depends" beantworten, haben sich die Lehrenden natürlich etwas einfallen lassen. Sie packen die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge in Modelle, deren restriktive Annahmen sie ähnlich weit von der Realität wegrücken, wie man es aus der Mikroökonomik kennt. In den überwiegend mechanisch funktionierenden Modellen lässt sich dann in aller Regel exakt prognostizieren, was passieren wird, wenn man an der einen oder anderen Schraube dreht. Gibt man diesen Modellen dann noch eindeutige Namen, so lassen sich die typischen Klausurfragen formulieren, auf die es meist nur eine korrekte Antwort gibt.

Spaß beiseite, der wahre Grund für den Modellbau in der Makroökonomik ist derselbe wie in der Mikroökonomik. Die Modelle sollen helfen, die komplexe Realität soweit auf das Wesentliche zu reduzieren, dass sich dem Betrachter ihre Strukturen und Prozesse erschließen. Eine größere Einfachheit muss dabei regelmäßig mit einer größeren Realitätsferne erkauft werden.

Ein Gutteil der Spannung rührt auch daher, dass wir alle von der makroökonomischen Situation unmittelbar beeinflusst werden. Unter einem hohen Zinsniveau leiden junge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen. Eine hohe Arbeitslosigkeit lässt die Zahl der Verbrechen ansteigen. Vielleicht haben Sie Freunde und Freundinnen, die keinen Ausbildungsplatz finden. In der Rezession sinken die Einkommen und Urlaubsreisen sowie größere Anschaffungen unterbleiben. Die Obdachlosigkeit nimmt zu, Hallenbäder und Bibliotheken schließen, Kindergartenplätze werden knapp. Industriebrachen entstehen und weil aus Geldmangel Verkehrsprojekte zu Investitionsruinen werden, stehen wir auf Jahre hinaus länger im Stau.

Umgekehrt ließen sich - glücklicherweise - auch Beispiele anführen, wie Wachstum und Aufschwung für uns alle Vorteile bringen. Denken Sie zum Beispiel daran, wie sich ein nachhaltiger Aufschwung auf Ihr Studium auswirken würde.

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