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Wir werden in diesem Abschnitt die These

Wachstum schafft Arbeitsplätze

untermauern. Das ist einerseits so wahr, wie eins gleich eins ist. Andererseits ist es aber auch nur ein Ergebnis von Begriffsdefinitionen.

Tatsächlich beginnen wir mit der Identität

[1]      [1]

und multiplizieren beide Seiten der Gleichung mit BIP:

[2]      [2]

Üblicherweise wird für die nachfolgende Überlegung das Interner Linkreale BIP herangezogen. Wir verzichten aber im folgenden der einfacheren Schreibweise wegen auf die Indizierung mit "real".

Die Gleichung ist weiterhin erfüllt, wenn wir die rechte Seite mit eins multiplizieren

[3]      [3]

und die Terme geringfügig umstellen:

[4]      [4]

Wenn wir jetzt AV als das sog. Arbeitsvolumen (Zahl der in einem Jahr insgesamt geleisteten Arbeitsstunden) definieren, finden wir in Gleichung [4] die gesamtwirtschaftliche Arbeitsstundenproduktivität als Quotient von Bruttoinlandsprodukt und Arbeitsvolumen. Die Arbeitsstundenproduktivität (oder Produktivität je Stunde) zeigt an, welcher Wert an Waren und Dienstleistungen durchschnittlich in einer Arbeitsstunde produziert wird.

Mit Kenntnis des Arbeitsvolumens und der Zahl der Erwerbstätigen lässt sich die durchschnittliche Jahresarbeitszeit (JAZ) je Erwerbstätigen berechnen:

[5]      [5]

Damit kann man in [4] AV ersetzen und erhält

[6]      [6]

Diese Gleichung ist immer noch so wahr, wie eins gleich eins ist.

Für die Wachstumsrate des BIP folgt

[7]      [7]

Wenn Ihnen der Schritt von [6] nach [7] nicht klar sein sollte, finden Sie ihn Externer Linkhier erkärt.

Es ist üblich, Wachstumsraten durch ein Dach über dem Symbol zu kennzeichnen. Die Wachstumsrate des BIP heißt Wirtschaftswachstum. Eigentlich wird eher umgekehrt ein Schuh daraus: Das Wirtschaftswachstum misst man mit der Wachstumsrate des BIP. Bei den drei anderen Größen spricht man eher von der relativen (oder prozentualen) Veränderung und vermeidet den Begriff Wachstumsrate.

Gleichung [7] gestattet die beiden folgenden kernigen Aussagen:

Unter der strengen ceteris-paribus-Bedingung bedeutet ein Prozentpunkt mehr Wirtschaftswachstum eine Steigerung der Erwerbstätigkeit um ein Prozent.

Unter sonst gleichen Bedingungen muss das Wirtschaftswachstum die Produktivitätszunahme übersteigen, wenn zusätzliche Arbeitsplätze entstehen sollen.

Im Jahr 1991 ist das reale BIP um 5 % gewachsen, die Arbeitsproduktivität je Stunde hat um 3,5 % zugenommen, die jährliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen ist um ein Prozent zurückgegangen und die Zahl der Erwerbstätigen um 2,5 % angestiegen (Externer LinkMittAB 4/94, 270). Diese Werte müssen – wie die für jedes andere Jahr auch – Gleichung [7] erfüllen:

[7a]      [7a]

Und wie man sieht, sie tun es natürlich auch.

Hätte es bei unveränderten anderen Variablen anstatt 5 Prozent 6 Prozent Wachstum gegeben, dann wäre die Erwerbstätigkeit um 3,5 Prozent gestiegen. Wir sehen also, Wachstum schafft Beschäftigung. Daran beißt die Maus keinen Faden ab.

Dennoch ist die Gleichung mit großer Vorsicht zu genießen, denn sie kann ein schlechter Ratgeber sein, wenn man sie unbedacht zum Einsatz bringt. Eine entsprechende Milchmädchenrechnung könnte wie folgt aussehen: Optimistisch wie kein Institut schätzt die Bundesregierung das Wachstum für 2004 auf 2 Prozent. Nahezu einheitlich gehen fast alle Prognosen von einer unveränderten Arbeitszeit und einer Steigerung der Arbeitsproduktivität je Stunde von 2 Prozent aus. Mit Hilfe von Gleichung [7] erfahren wir also

[8]      [8],

dass sich die Beschäftigung nicht erhöhen wird. Da wir an der Schaffung von Arbeitsplätzen interessiert sind, verkürzen wir einfach die Jahresarbeitszeit um satte 5 Prozent, indem wir u.a. den Buß- und Bettag wieder reaktivieren:

[8a]      [8a]

Und siehe da, es tritt ein, was wir immer schon geahnt haben: Arbeitszeitverkürzung schafft Arbeitsplätze.

Nein, so einfach kann es nicht sein. Aber wo liegt der Fehler? Wir haben doch gerade erfahren, dass Gleichung [7] immer erfüllt sein muss.

Der Fehler dieser Überlegung liegt im unbedachten Einsatz einer ex post gültigen Beziehung für ein ex ante Problem. Wenn die Arbeitszeit tatsächlich um 5 Prozent gekürzt würde, dann kann man nicht davon ausgehen, dass das BIP und die Arbeitsproduktivität nach wie vor um jeweils zwei Prozent wachsen würden. Würde die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich durchgeführt, dann würden die Einkommen der Wirtschaftssubjekte sinken. Die Nachfrage würde zurück gehen. Würden die Unternehmen in einer solchen Situation die Produktion ausweiten und zusätzliche Beschäftigte einstellen wollen? Wohl kaum.

Diskutieren Sie mit Hilfe von Gleichung [7]: Wäre es
sinnvoll, die Produktivitätssteigerung zu verlangsamen,
um zusätzliche Beschäftigung zu schaffen?

Was halten Sie davon, die Arbeitszeit im Ausmaß der
Produktivitätssteigerung bei vollem Lohnausgleich zu
verkürzen?

Würde die Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich durchgeführt, dann würde sich die Arbeit erheblich verteuern. Einige Unternehmen wären dieser Kostenlast nicht gewachsen, andere würden versuchen, die gestiegenen Kosten über die Preise weiter zu geben, sofern sie über die notwendigen Spielräume verfügen. Das würde sich aber negativ auf die Nachfrage auswirken. Es ist also wiederum mehr als fraglich, dass wir unverändert von einem Wachstum von zwei Prozent ausgehen könnten.

Dennoch: Die grundsätzliche Feststellung hat natürlich Bestand. Wachstum schafft Beschäftigung. Bekannt ist dieser Zusammenhang in abgewandelter Form als Interner LinkOkuns Gesetz. Wir gehen im nächsten Abschnitt darauf ein.

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